Am Ziel seiner Träume angekommen

SKV-Turner Philipp Herder wird Deutscher Meister im Bodenturnen

Wie nahe Freude und Trauer im Sport beieinander liegen können, das konnten die 7.500 Zuschauer in der erneut vollbesetzten Max-Schmeling-Halle am ersten Tag der Finalwettbewerbe der Turner und Turnerinnen bei den drei für das Bodenturnen qualifizierten Bundesligaturner der Siegerländer Kunstturnvereinigung hautnah miterleben.

Als Vorkampfbester mit 14,35 Punkten für das Bodenfinale qualifiziert, verletzte sich der ehemalige Europameister an diesem Gerät Matthias Fahrig beim Einturnen, so dass er den Wettkampf gar nicht erst aufnehmen konnte und von dem jungen Hallenser Nick Klessing ersetzt werden musste. Die Trauer hierüber war dem 31-jährigen Boden- und Sprungspezialisten anzusehen, und der kampflose Verzicht auf einen weiteren Höhepunkt in seiner erfolgreichen Karriere schmerzte ihn mindestens ebenso wie der Muskelfaserriss in der Wade, der einen Wettkampf gerade an diesem Gerät unmöglich machte.

Groß war dagegen die Freude des langjährigen Top-Turners der SKV Philipp Herder, für den es nach dem Ausscheiden seines Teamkollegen Fahrig nur noch einen ernsthaften Gegner am Boden gab. Das war aber kein Geringerer als der neue Deutsche Mehrkampfmeister Lukas Dauser, dem Herder am Pfingstmontag noch unglücklich mit einem Abstand von nur 0,05 Punkten unterlegen war. Herder zeigte die schwierigste Bodenübung des Abends, vermied bis auf die Abgangsbahn jeden Fehler und wurde zu recht mit 14,45 Punkten belohnt. Und diesmal biss sich Dauser an der Vorlage seines Berliner Trainingskameraden die Zähne aus. Er wurde in der Ausführung nur unwesentlich besser bewertet als Herder, lag jedoch in der Schwierigkeit um 0,3 Punkte zurück, so dass seine Endnote von 14,25 Punkten um zwei Zehntel hinter dem Bestwert von Herder zurück blieb. „Deutscher Meister, und das in einer vollbesetzten Halle, in meiner Heimatstadt, was will man mehr. Das macht die kleine Enttäuschung nach dem Mehrkampf endgültig vergessen“ blieb der SKV-Turner auch in seiner Freude mit der Bodenhaftung, die ihn überall in Deutschland in Turnerkreisen so beliebt macht.

Für Daniel Uhlig (TG Friesen Klafeld-Geisweid), den dritten SKV-Turner an diesem Abend am Boden, war das Erreichen des Finales schon der größte Erfolg in seiner Laufbahn. Er musste gleich als erster Turner an das Gerät, und konnte die verständliche Nervosität vor der ungewohnt großen Kulisse und dem Scheinwerferlicht der Fernsehkameras nicht ganz ablegen. Nach einem Sturz in einer mittleren Bahn, der aber zum Glück ohne Verletzungsfolgen für ihn blieb, reichten 11,575 Punkte nur zum sechsten und letzten Platz im Finale. „Der Eindruck und die Motivation, die ich hier von den Deutschen Meisterschaften mit nach Hause nehmen kann, sind phänomenal, und ich bin sicher, dass das nicht das letzte Finale bei einem so großen Wettbewerb für mich gewesen sein wird“, zog Uhlig ein für ihn durchweg positives Fazit von den Wettkämpfen in Berlin.

Für Philipp Herder war jedoch mit dem Gewinn der Goldmedaille am Boden der Abend noch nicht zu Ende, wenn er auch an den beiden nachfolgenden Geräten nicht ganz an die Vorkampfleistungen heran kam. Am Seitpferd belegte Herder mit 13,60 Punkten den 5. und an den Ringen mit 13,50 Punkten den 4. Platz. „Nach dem emotionalen Höhepunkt der Deutschen Meisterschaft am Boden verlor ich für einen kurzen Moment die Konzentration am Seitpferd, so dass ich die mögliche Bronzemedaille verpasst habe. An den Ringen musste ich unmittelbar nach dem Sturz und der für alle Beteiligten gleich erkennbaren schweren Verletzung meines Freundes Lukas Dauser ans Gerät, und das war schon eine besondere Belastung für mich. Ich habe auch den gleichen Abgang wie Lukas in meiner Übung, und bin bei dem letzten Bundesligawettkampf auch gestürzt. Das geht einem in so einer Situation natürlich alles durch den Kopf, und so bin ich froh, dass ich die Übung einigermaßen gut durchgebracht habe.“ kommentierte Herder den am Ende durch die Verletzung von Dauser überschatteten ersten Finaltag bei den Deutschen Meisterschaften im Kunstturnen in Berlin.

 

SKV-Turner Philipp Herder mit komplettem Medaillensatz

Am zweiten Finaltag der im Rahmen des Deutschen Turnfestes in Berlin ausgetragenen Deutschen Meisterschaften im Gerätturnen standen für die Männer die Entscheidungen im Sprung, am Barren und am Reck an, erneut mit Beteiligung mehrerer Bundesligaturner der Siegerländer Kunstturnvereinigung.

Beim Sprung war nach dem Gewinn des Meistertitels am Boden durch Philipp Herder eine weitere Medaille fest eingeplant, hatte sich doch mit Matthias Fahrig der Titelverteidiger von 2016 und ehemalige Vize-Europameister an diesem Gerät als Vorkampfzweiter für das Finale qualifiziert. Leider musste Fahrig nach seines beim Einturnen für das Bodenfinale am Tag zuvor erlittenen Muskelfaserrisses in der Wade auch an diesem Gerät passen, was insbesondere auch nach seinen Trainingsleistungen und den in den Bundesligawettkämpfen gezeigten Sprüngen besonders schade war. „Matthias ist einer der ganz wenigen Turner in Deutschland, die wie vom Reglement gefordert zwei verschiedene Sprünge auf gleich hohem Niveau zeigen können, was ihn immer zu den Favoriten an diesem Gerät bei den Deutschen Meisterschaften zählen lässt“, bedauerte Reimund Spies, Präsident der Siegerländer Kunstturnvereinigung, das Fehlen des Hallensers, der in seinen Bundesligawettkämpfen für die Siegerländer KV ganz schnell zum Publikumsliebling avanciert ist.

So war der Weg zum Meistertitel für den zweiten Hallenser Nick Klessing frei, der in der Bundesliga für die KTV Obere Lahn an die Geräte geht und als einer der wenigen Juniorenturner zählt, denen man eine international erfolgreiche Karriere zutrauen kann. Klessing gewann den Titel mit 13,975 Punkten deutlich vor dem Saarländer Luca Ehrmanntraut, Ende Mai noch Mitglied der TG Saar, die die SKV im Heimwettkampf in Kreuztal trotz toller Aufholjagd der Siegerländer besiegen konnte.

Am nachfolgenden Barren eröffnete sich für die Nr. 1 der Siegerländer Kunstturnvereinigung, Philipp Herder, durch das verletzungsbedingte Ausscheiden des Vorkampfbesten Lukas Dauer (KTV Obere Lahn) plötzlich die Chance, nach der Meisterschaft am Boden einen zweiten Titel zu erringen. Herder musste als letzter Turner ans Gerät, vor ihm hatte Marcel Nguyen (KTV Straubenhardt) mit 14,450 eine gute, aber nicht unüberwindbar hohe Wertung erhalten. Trotz einer im Schwierigkeitsgrad deutlich abgespeckten Übung unterliefen dem Silbermedaillengewinner von 2012 und mehrfachen Europameister an diesem Gerät einige Haltungsfehler, so dass Herder vor ihm gelandet wäre, wenn er seine Vorkampfleistung von 14,600 Punkten hätte wiederholen können. Er zeigte auch die schwierigste Übung des Wettkampfes und die Goldmedaille schien schon zum Greifen nah, bis ihm bei der letzten Kombination vor dem Abgang ein Flüchtigkeitsfehler unterlief, der das Kampfgericht zu deutlichen Abzügen veranlasste, so dass am Ende nur 14,350 Punkte auf der Anzeigetafel standen. Zwischen Herder und Nguyen schob sich noch Ivan Rittschik (KTV Straubenhard) mit 14,375 Punkten, so dass Herder sich mit der Bronzemedaille zufrieden geben musste.

„Drei Turner innerhalb eines Zehntelpunktes, da kommt es eben nicht nur auf die gezeigte Leistung an, sondern auch auf das Urteil des Kampfgerichts. Und da spielt der berühmtere Name oft die entscheidende Rolle, aber so ist das nun einmal in einer Sportart, in der man die Leistung nicht nur in Weiten oder Zeiten bemessen kann. Philipp hat eine hervorragende Leistung an allen drei Wettkampftagen gezeigt, mit nur einem Fehler am Sprung während des Mehrkampfes, und mit den drei Medaillen in Gold, Silber und Bronze seine und unsere Erwartungen sicher übertroffen.“ Freute sich SKV-Präsident Reimund Spies über die Erfolge Herders bei diesen Meisterschaften.

Der Finaltag und die gesamten Meisterschaften wurden mit dem Reckturnen beendet, für das sich mit Eric Lloyd Hinrichs ein weiterer SKV Turner qualifiziert hatte. Hinrichs musste als Erster ans Gerät, und zeigte eine sauber vorgetragene Übung, für die er 12,875 Punkte erhielt, was am Ende den 4. Platz bei seinen ersten Deutschen Meisterschaften im Seniorenbereich bedeutete. Deutscher Meister wurde an diesem Gerät der Stuttgarter Felix Pohl mit deutlichem Vorsprung vor Jakob Paulicks (KTV Obere Lahn), der mit der Silbermedaille sein bisher bestes Ergebnis bei Deutschen Meisterschaften erzielte.

„Wir können mit dem Verlauf dieser Meisterschaften durchaus zufrieden sein, und wenn ‚Matze‘ Fahrig nicht das Verletzungspech gehabt hätte, hätten wir uns sicher noch über die eine oder andere Medaille mehr freuen können. Wir hoffen aber, dass diese Verletzung schnell ausheilt und er uns im Herbst für die Bundesliga wieder uneingeschränkt zur Verfügung stehen wird. Auf der Habenseite wollen wir auch festhalten, dass sich mit Sebastian Bock, Daniel Uhlig und Nico Ermert neben den in diesem Bericht erwähnten SKV-lern drei Turner aus unserem Zentrum für Berlin qualifiziert haben, was für die Stärke unserer Mannschaft spricht“, so das Fazit des SKV Präsidenten Reimund Spies nach Abschluss der Geräteturnwettkämpfe in Berlin.