Philipp Herder verpasst letzten freien Platz für die EM in Glasgow

Unterschiedlicher hätte das Fazit nach dem Sieg im Vierländerkampf der Kunstturner am vergangenen Samstag im schwäbischen Baiersbronn nicht sein können. Während die Verantwortlichen der Deutschen Nationalmannschaft überwiegend zufrieden waren, war der Verlauf und das individuelle Resultat für die Nr. 1 der Siegerländer Kunstturnvereinigung, Philipp Herder, enttäuschend. Er verpasste nach einem Wettkampf mit Höhen und Tiefen den letzten freien Platz in der Mannschaft für die Europameisterschaften, die in etwas mehr als zwei Wochen in Glasgow ausgetragen werden.

Allen angetretenen Mannschaften – Gegner des Turnteams Deutschland waren die wesentlich höher eingeschätzten Briten als Gastgeber in Glasgow, sowie mit Frankreich und der Schweiz zwei weitere starke Nationen – war anzumerken, dass der Wettkampf aus der Belastung der unmittelbaren Vorbereitung auf die EM heraus bestritten wurde. Folge waren viele gravierende Fehler bei allen Teams, wobei sich die deutschen Turner noch am Besten aus der Affäre zogen. Das nicht zuletzt deshalb, weil es für einige von ihnen noch um etwas ging – im Gegensatz zu den meisten anderen Mannschaften hatten sich die Verantwortlichen des Turnteams Deutschland die Nominierung für das letzte verbliebene Ticket nach Glasgow noch bis nach dem Länderkampf offen gehalten.

Gesetzt waren nach den Trainingseindrücken der letzten Wochen und einem Testwettkampf nur die Routiniers Marcel Nguyen, Andreas Bretschneider (beide KTV Straubenhardt) und Andreas Toba (TV Wetzgau), während sich der derzeit leistungsstärkste deutsche Nachwuchsturner Nick Klessing (KTV Obere Lahn) durch einen guten Mehrkampf und herausragende Resultate an seinen Spezialgeräten Ringe und Sprung schon eine sehr gute Ausgangsvoraussetzung geschaffen hatte, die er zudem beim Länderkampf bestätigen konnte.

Blieb also nur das „Stechen“ um den 5. Platz in der Mannschaft zwischen Philipp Herder und dem ebenfalls in Berlin trainierenden Nils Dunkel (KTV Straubenhardt), wobei durch entsprechende Äußerungen des Bundestrainers Andreas Hirsch im Vorfeld des Länderkampfes bereits abzusehen war, dass er besonderen Wert auf das etwas höher eingeschätzte Leistungsvermögen Dunkels am „Zittergerät“ Seitpferd im Vergleich zu Herder legen würde.

Herder kam dann nach eigenem Bekunden nur schwer in den Wettkampf. Nach einer an sich guten Ringeübung stolperte er beim Abgang und musste die ersten Punktabzüge in Kauf nehmen. Nicht besser erging es ihm beim Sprung, an dem er gehandicapt durch ein langwieriges Problem an der Achillessehne nur wenig trainieren kann. Erst mit der Barrenübung kam Herder dann besser in Schwung, und am Boden gelang ihm nach einer Umstellung die beste Übung der deutschen Turner. Im direkten Vergleich mit Dunkel beim abschließenden Seitpferdturnen zeigte der SKV-Turner dann eine Übung mit ähnlichem Schwierigkeitsgrad, mit kleinen Unsicherheiten am Ende. Aber auch die Übung von Dunkel war keineswegs fehlerfrei, wurde aber um zwei Zehntel höher bewertet. Eine sehr geringe Differenz, die letztlich dann in der Nominierung für Glasgow den Ausschlag zugunsten Dunkels geben sollte.

Die Mannschaftswertung gewannen das Turnteam Deutschland am Ende deutlich vor Großbritannien. Hier kam mit Courtney Tulloch ein weiterer SKV-Turner zum Einsatz, der an seinem Spezialgerät, den Ringen, mit 14,900 Punkten die Tageshöchstnote erzielte und dort auf jeden Fall zu den Medaillenkandidaten zu rechnen ist. Dominick Cunningham, für 2019 ebenfalls bei der SKV im Gespräch, wurde mit 14,400 bester Bodenturner der angetretenen vier Mannschaften.

„Wenn zwei Kandidaten um einen verbliebenen Platz streiten, gibt es immer einen Verlierer und einen Gewinner. Für Dunkel spricht die bessere Perspektive am Seitpferd, für Herder die bessere Leistung beim Bodenturnen. Was letztlich für das Team wichtiger ist, dass muss der Bundestrainer entscheiden. Es ist gut, dass Philipp das sportlich nimmt und den Blick schon wieder nach vorne richtet. Am 8.9. haben wir den nächsten Bundesligawettkampf, dann stehen die Deutschen Meisterschaften an, die gleichzeitig auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Doha Qatar Ende Oktober sein werden. Philipp weiß, wo er steht, und was er machen muss, um seine Position zu verbessern. Wichtig ist auch, dass er die harte Vorbereitung für Glasgow trotz seines Sehnenproblems gut überstanden hat“, so die erste Einschätzung des SKV-Präsidenten Reimund Spies nach dem Länderkampf in Baiersbronn.