Starker Mehrkämpfer

Ahmet Önder

Wenn man in Deutschland gefragt würde, welche Sportart ein türkischer Junge bevorzugt ergreifen würde, dann stünde sicher Fußball an erster Stelle – gefolgt von anderen Ballsportarten wie Volleyball oder Basketball. Bei den Individualsportarten vielleicht die Kraft- oder Kampfsportarten, aber Kunstturnen?

Dabei hat diese Sportart – ähnlich wie Leichtathletik oder Schwimmen – in den letzten Jahren in der Türkei einen rasanten Aufschwung genommen. Gefördert vom Staat und den Betriebssport-Gemeinschaften der Großstädte und Universitäten sind landesweit zahlreiche, nach modernsten Gesichtspunkten konzipierte Turnzentren entstanden, als eine der Voraussetzungen für die Entwicklung des Kunstturnens. Die andere Voraussetzung sind gut ausgebildete Trainer. Hier hatte man sich über viele Jahre ausländischen Know-Hows bedient. Mittlerweile arbeiten aber in allen Zentren sehr gute einheimische Trainer, und der Verband wird durch den slowenischen Ex-Weltmeister Aljaz Pegan beraten.

Das alles hat dazu geführt, dass 2015 erstmals ein türkischer Turner das Mehrkampffinale bei einer Weltmeisterschaft erreichte, und 2017 waren es gleich zwei. Wenn man dann noch die zwei erreichten Gerätefinale hinzu nimmt, dann sieht man, dass die türkischen Turner den Anschluss an die internationale Klasse erreicht haben – Deutschland war bei den Männern in Montreal nur zweimal im Finale vertreten.

Einer der beiden türkischen Mehrkämpfer ist Ahmet Önder, geboren am 11.7.1996 in der Nähe von Izmir, wo er auch im nationalen Turnzentrum trainiert – als Vollprofi, wie bei den meisten internationalen Spitzenturnern steht die Berufsbezeichnung „Student“ eher im Hintergrund.

ahmed oender

Vom „Scouting“ der SKV-Mannschaftsplaner war Ahmet Önder bereits in den Vorjahren erfasst, die Weltmeisterschaften 2016 musste er jedoch verletzungsbedingt auslassen, nachdem er in den Monaten zuvor bei verschiedenen Weltcup-Turnieren insgesamt fünf Mal auf dem Siegerpodest stand.

Den endgültigen internationalen Durchbruch schaffte Önder dann bei der WM 2017 in Kanada, wo er vor allem seine Mehrkampfqualitäten mit dem 9. Platz im Finale und den hierbei erreichten 83,831 Punkten unter Beweis stellen konnte. Er war damit viertbester Europäer und sicher der beste Mehrkämpfer außerhalb von China und Japan, der derzeit für die Bundesliga zu bekommen ist – nachdem der vor ihm liegende Russe David Beljavskiy bei der KTV Straubenhardt untergekommen ist und Oleg Verniaiev schon seit Jahren für die TG Saar in der Liga Topscorer ist.

Die stärksten Geräte von Ahmet Önder sind Boden (14,133), Sprung (14,533) und Barren (14,933) – die Punkte in den Klammern geben jeweils seine Ergebnisse aus dem WM-Finale wieder.

„Ahmet ist für uns nicht nur als Spezialist an seinen starken Geräten interessant, sondern vor allem als Mehrkämpfer. Er erweitert unsere taktischen Möglichkeiten durch seine Vielseitigkeit, und kann gleichzeitig durch weitere Gerätespezialisten wie Bram Louwije am Seitpferd oder Courtney Tulloch an den Ringen zu einem schlagkräftigen Paket auf der Ausländerposition aufgewertet werden. Er wird vom 4. Wettkampf an für den Rest der Saison zur Verfügung stehen“, so die Einschätzung von Reimund Spies, Präsident der SKV zu dem neuen Turner des Siegerländer Bundesligisten.