Während die Deutschen Kunstturner die im Rahmen des Multisport-Events in Glasgow ausgetragenen Europameisterschaften ohne Medaillengewinne beenden mussten, konnten sich die für den Siegerländer Bundesligisten SKV startenden Ausländer bei fünf Finalteilnahmen zwei mal Edelmetall in der vollbesetzten SSE-Arena in der schottischen Metropole erkämpfen. Hinzu kam noch eine Medaille für Courtney Tulloch mit der britischen Nationalmannschaft.
„Wir haben in diesem Jahr eine sehr starke Besetzung auf der Ausländerposition, nicht nur mit dem Kubaner Manrique Larduet, der vor zwei Wochen bei den Zentralamerikanischen Meisterschaften 3x Gold, 2x Silber und 1x Bronze gewonnen hat. Wir hatten auch damit gerechnet, dass Courtney Tulloch mit der Britischen Mannschaft eine Medaille gewinnen würde, dass wir aber gleich mit vier Turnern in den Finalwettbewerben vertreten sein würden, das überraschte uns doch sehr und macht uns stolz zugleich“, zeigte sich SKV-Präsident Reimund Spies begeistert über das Auftreten seiner Turner bei der EM.
Das beste Einzelergebnis erzielte dabei ausgerechnet „Oldtimer“ Saso Bertoncelj, mit 33 Jahren einer der ältesten Turner bei der EM. Im Vorkampf – nach einem kleinen Fehler beim Abgang – gerade noch so als punktgleicher Siebter in das Finale am Seitpferd gerutscht, musste er bis zum Schluss warten, bis er seine Übung vortragen konnte. Bis dahin hatte der erst 19-jährige Ire Rhys McClenaghan mit der schwierigsten und gleichzeitig saubersten Übung im Finale 15,300 Punkte erreicht und lag in Führung – während sich Titelfavorit und Olympiasieger Max Whitlock einen schweren Fehler leistete und aussichtslos zurück lag. Bertoncelj turnte seine im Vergleich zu den Bundesligawettkämpfen des Frühjahrs deutlich aufgestockte Übung sauber zu Ende und wurde von dem strengen Kampfgericht mit 14,866 Punkten belohnt. Diese Wertung hatte auch der Kroate Robert Seligmann erhalten, und da beide Übungen in D- und E-Wert exakt gleich waren, teilten sie sich den zweiten Rang und verwiesen Titelverteidiger David Beljavski (RUS) auf den undankbaren vierten Platz. Kommentar des sympathischen Hobbykochs, der sich auch durch diesen überragenden Erfolg nicht aus der Ruhe bringen ließ: „Ich bin halt wie guter Wein, je älter, desto besser“.
Courtney Tulloch, seit 2017 im Team der SKV, hatte bereits am Tag zuvor durch gute Leistungen an seinem Spezialgerät Ringe und beim Sprung dafür gesorgt, dass sein Team Großbritannien souverän Platz zwei aus der Qualifikation verteidigen und hinter der überragenden Russischen Mannschaft die Silbermedaille erringen konnte. In das Ringefinale ging er nicht nur als Vorkampfzweiter, sondern zusätzlich beflügelt durch die Information, dass sein schwieriger Aufgang am Kraftgerät von der FIG als neues Teil anerkannt wurde und zukünftig den Namen „Tulloch“ im offiziellen Punktecode tragen wird. Abgesehen von einer kleinen Unsicherheit gegen Ende der Übung gelang ihm erneut ein perfekter Vortrag, der mit genau 15,000 Punkten belohnt wurde. Damit gewann er die Bronzemedaille hinter dem überlegenen Olympiasieger Eleftherios Petrounias aus Griechenland (15,466 Punkte) und dem Türken Ibrahim Colak, der ein Zehntel besser als Tulloch bewertet wurde.
Der Belgier Dennis Goossens, seit vielen Jahren in der SKV Mannschaft, in diesem Jahr aber wegen der Limitierung der Ausländerposition dem Kubaner Manrique Larduet „geopfert“, hatte ebenfalls das Ringefinale erreicht. Nach einer sehr guten Übung, die ihn ebenfalls in die Medaillennähe brachte, musste er nach dem Abgang die Matte verlassen, so dass er am Ende nur auf Rang 7 kam. Marcel Nguyen vom Ligakonkurrenten KTV Straubenhardt erreichte nur 14,066 Punkte und Platz 6, vor allem, weil ihm einige Kraftteile vom internationalen Kampfgericht nicht anerkannt wurden.
Weitere zwei Finalwettbewerbe erreichte Ahmet Önder, Neuzugang der SKV in 2018. Allerdings stürzte er am Boden gleich in der ersten Bahn, und auch am Barren musste er das Gerät verlassen, wodurch er eine Medaillenchance verpasste. Trotzdem war sein 5. Platz an diesem Gerät ein großer persönlicher Erfolg, ebenso wie das Erreichen des Mannschaftsfinales mit seinem türkischen Team. Die Überraschungsmannschaft der diesjährigen EM lag nach drei Geräten noch auf dem ersten Platz, brach dann aber gegen Ende des Wettbewerbs nach einigen vermeidbaren Fehlern völlig ein und wurde Siebte.
„Eigentlich könnten wir auch noch Dominick Cunningham in unsere Erfolgsbilanz mit aufnehmen, der den Heimvorteil nutzen konnte und Europameister am Boden wurde. Nachdem er schon einmal eine Startkarte bei uns unterschrieben hatte, von seinem damaligen Verein aber keine Freigabe erhielt, ist es gut möglich, dass er 2019 für uns turnen wird. Das ist aber die Zukunft, mit der wir uns noch nicht so sehr beschäftigen. Jetzt gilt es, nach der EM vor allem für Saso und Ahmet für ein paar Tage neue Kräfte zu sammeln, bevor es dann im Auswärtswettkampf beim MTV Stuttgart bereits um eine Vorentscheidung um den Einzug in das Ligafinale gehen wird“, richtet Sportvorstand Horst-Walter Eckhardt bereits wieder den Blick auf die zukünftigen Aufgaben der gerade erst bei der EM erfolgreichen SKV-Turner.
Bilder: Saso Bertoncelj am Seitpferd und Courtney Tulloch an den Ringen, Ahmet Önder am Barren (Fotograf: Volker Minkus)