Am Sonntag und Montag wurden bei den Kunstturnweltmeisterschaften in Stuttgart die aus heimischer Sicht besonders interessanten Mannschaftsqualifikation der Männer ausgetragen. Unter starker Beteiligung der Turner des Siegerländer Bundesligisten SKV – insgesamt gingen an den beiden Tagen 5 Leistungsträger der SKV an die Geräte. Im Qualifikationswettkampf dieser Weltmeisterschaft entscheidet sich nicht nur, welche Mannschaft am Mittwoch im Teamfinale starten darf, oder welche Einzelturner die Finalwettbewerbe im Mehrkampf und an den sechs Geräten erreichen, sondern es wurde auch ein Großteil der Startplätze für die Olympischen Turnwettbewerbe im nächsten Jahr in Tokio vergeben.
Besonders im Fokus: Philipp Herder, seit 10 Jahren für die SKV in der Bundesliga aktiv und einer von drei von Bundestrainer Andreas Hirsch gesetzten Turnern, die in der Deutschen Mannschaft an allen Geräten an den Start gehen durften. Auch wenn dem 26-jährigen Berliner nicht alles gelang, kam er doch an fünf von sechs Geräten in die Mannschaftswertung, wobei besonders seine Leistungen am Boden und Reck herausragten. Leider patzte er am Seitpferd, ansonsten wäre auch durchaus eine Qualifikation für das Mehrkampffinale möglich gewesen.
Die Leistungen der deutschen Turner wurden in der mit 7.500 Zuschauern vollbesetzten Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart euphorisch gefeiert, zur Halbzeit lag die Mannschaft auf einem aussichtsreichen 5. Zwischenrang. Spannend wurde es jedoch am zweiten Qualifikationstag, an dem weitere Favoriten wie Weltmeister China oder Olympiasieger Japan an die Geräte gingen. Die deutsche Mannschaft musste zusehen, wie sie zunächst Platz für Platz weiter zurückfiel und am Ende sogar um die Olympiaqualifikation bangen musste. Aufatmen nach dem allerletzten Durchgang. Zwar kamen die Schweizer erwartungsgemäß noch vor Deutschland, die hoch eingeschätzten Niederlande schafften das aber nicht mehr. Mit ausschlaggebend war sicher ein Armbruch, den sich der frühere SKV-Turner Bram Louwije beim Podiumstraining zugezogen hatte – sein Ausfall war am Ende nicht mehr zu kompensieren.
Bei den Deutschen Turnern, Trainern und Verbandsfunktionären überwog natürlich die Erleichterung, noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Und Philipp Herder kann weiter auf seinem Traum hinarbeiten, einmal nicht nur Ersatzturner, sondern Mitglied der Olympiariege zu sein.
Beendet waren hingegen die Träume der türkischen Nationalmannschaft, die in den letzten Jahren Anschluss an die internationale Spitze gefunden hat. Fünf Durchgänge war man klar auf Final- und Olympiakurs, am Ende fielen die Mannen um SKV-Turner Ahmet Önder am Seitpferd noch zurück. Önder, einer der elegantesten Turner in Europa, konnte sich aber für das Barrenfinale am Sonntag qualifizieren.
Positives gab es dagegen von Manrique Larduet Bicet (Kuba) zu berichten. Der mittlerweile 23-jährige Kubaner, Vizeweltmeister von 2015 und 2018 im Trikot der SKV einer der Stars der deutschen Kunstturnbundesliga, turnte nach langer Verletzungspause eine sauberen und vor allem taktisch klug angelegten Wettkampf. Mit reduziertem Programm, aber ohne einen einzigen Fehler, legte er sechs perfekte Übungen auf das Podium in Stuttgart, die am Ende mit 81,898 Punkten belohnt wurde. Der verdiente Lohn: Teilnahme am Mehrkampffinale und Qualifikation für Tokio als Zweitbester der Turner, die nicht einer bereits qualifizierten Mannschaft angehören.
Kein Problem hatte auch SKV-Neuzugang Joe Fraser, mit dem Team Großbritannien das Ticket für Tokio zu lösen. Nicht zuletzt dank seiner Leistungen wurde man überraschend Fünfter in der Qualifikation. Joe Fraser erreichte überdies als einer der Besten das Barrenfinale, in dem der Deutsche Lukas Dauser Mitfavorit sein wird. Mit deutlich über 82 Punkten erreichte der 21-jährige Brite auch eine gute Leistung im Mehrkampf – die SKV-Anhänger dürfen sich in der zweiten Saisonhälfte auf einen Joe Fraser in Bestform freuen.