Einweihung des Zentrums vor 40 Jahren

Grundstock des Erfolgs

Ende dieses Jahres feiert das Kunstturn-Landesleistungszentrum in Dreis-Tiefenbach seinen 40. Geburtstag. Die feierliche Einweihung stieg am 13. Dezember 1980, einem Samstag – und das gleich mit einem turnerischen Leckerbissen: Der Deutsche Turner-Bund (DTB) führte in einem Qualifikationsturnen seine 46 besten Athleten im Siegerland zusammen, um den künftigen Nationalkader zu formieren. Am 13. Dezember wurden die Pflichtübungen im funkelnagelneuen Zentrum in Dreis-Tiefenbach geturnt, tags darauf die Kürübungen in der Siegerlandhalle in Siegen – vor der stolzen Kulisse von 1000 Zuschauern.

Um die Idee des Baus dieses Zentrums besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in den geschichtlichen Rückspiegel. Am 1. Dezember 1968 hatte sich der TV Eichen, bei dem sich die besten Siegerländer Turner eingefunden hatten, in Göppingen für die neu gegründete 1. Bundesliga qualifiziert – mit Lothar Simon, Horst Diehl, Jürgen Althaus, Ernst Nothacker und Jürgen Uhr. „Damals musste noch jeder alles turnen, eine Spezialisierung auf einzelne Geräte, wie man dies heutzutage in der Bundesliga sieht, gab es damals noch nicht. Vier Turner kamen jeweils in die Wertung, während das schwächste Ergebnis das Streichresultat bildete“, erinnert sich Jürgen Althaus, Jahrgang 1942, im Gespräch mit der Siegener Zeitung.

„Leider verlor der TV Eichen alle seine Wettkämpfe. Bei der erneuten Qualifikation am 6. Dezember 1969, ebenfalls in Göppingen, konnte sich die Eichener Riege für die Regionalliga qualifizieren. Es turnten Lothar Simon, Horst Diehl, Ernst Nothacker, Jürgen Althaus und Hans-Martin Münker, blickt Jürgen Uhr zurück, der selbst nicht dem Team angehörte, da er seinerzeit ein Haus baute. Eine 2. Bundesliga gab es damals noch nicht. Der TV Eichen turnte von 1970 bis 1972 in der Regionalliga, damals also in der zweithöchsten Klasse nach der Bundesliga.

„Da Helmut Schweisfurth die Zeichen der Zeit früh erkannt hatte, bündelte er die Kräfte und gründetet 1973 die Siegerländer Kunstturn-Vereinigung. 1976 gelang der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Mit den beiden Deutschen Mannschaftsmeisterschaften 1978 in Berlin mit Reinhard Dietze, Peter und Manfred Diehl, Wolfgang Roth, Manfred Lehmann, Heinz Rohleder, Uwe Hackler und Helmut Nothacker sowie 1979 in Münster mit Reinhard Dietze, Peter und Manfred Diehl, Wolfgang Roth, Uwe Hackler und dem Japaner Jasuhiso Kaneko hatte man gewichtige Gründe für ein Kunstturn-Zentrum geschaffen“, benennt Jürgen Uhr das Hauptargument, das Helmut Schweisfurth, den damaligen Rektor der Hauptschule in Dreis-Tiefenbach, angetrieben hatte.
Reinhard Dietze und Wolfgang Roth, aber auch Heinz und Wolfgang Rohleder sowie die Brüder Peter und Manfred Diehl zählten in jener Epoche zu den besten deutschen Turnern, Reinhard Dietze hatte 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal mit der Deutschen Nationalmannschaft den 5. Platz erreicht.

In Dreis-Tiefenbach waren freilich schon vorher – in den Jahren 1972 und 1973 – Gedanken entstanden, eine zweite Turnhalle zu errichten. Als die Turnhalle der alten Dreisbachschule nicht mehr ausreichte, um den Schulsport planmäßig durchführen zu können und auch die ansässigen Sportvereine über mangelnde Trainingsmöglichkeiten klagten, wurde diese Idee immer konkreter. Auf Anraten von Hauptschul-Rektor Helmut Schweisfurth und Turnlehrer Horst Diehl änderte der Rat der damaligen Gemeinde Netphen schließlich den Plan, nur eine neue Schulsporthalle zu errichten. Stattdessen sollte ein neues Kunstturn-Leistungszentrum entstehen.
Mit ihren tollen Ergebnissen Ende der 1970er Jahre hatten die SKV-Asse das entsprechende „Futter“ für diese Überlegungen geliefert, doch ganz so einfach wurde es nicht, wie sich der ehemalige Siegener Bürgermeister Ulf Stötzel, seinerzeit als Beigeordneter für das Bauwesen in der Gemeinde Netphen tätig, im Gespräch mit der SZ erinnert: „Wir haben dieses Bauvorhaben gegen große Widerstände durchgesetzt. Erst kurz zuvor war die Ortsdurchfahrt von Netphen nach Dreis-Tiefenbach realisiert worden, und aus einigen unserer 21 Dörfer kam die Bemerkung: ,Immer alles für Dreisbe’ Ganz so war das natürlich nicht, denn wir haben immer auch für unsere Dörfer einiges tun können. Dennoch war der Widerstand anfangs beträchtlich“, sagt Stötzel.
„Wir haben zunächst mit Baukosten in Höhe von 2,3 Millionen DM gerechnet, nach der Ausschreibung waren wir dann bei 5,4 Millionen. Ich habe dann nochmal ein Gespräch mit unserem damaligen Gemeindedirektor Dr. Bernd Jartwig gesucht, der immer ein toller Gesprächspartner und für solche Dinge auch sehr aufgeschlossen war. Wir haben festgestellt, dass Beton damals sehr teuer war, weil die Branche boomte, und haben das selbe Projekt nochmal in Stahl durchkalkuliert. Wir lagen dann bei 3,4 Millionen. Mit den Fördergeldern, die wir bei der Landesregierung NRW losgeeist haben, konnten wir schließlich grünes Licht geben“, berichtet Ulf Stötzel, der 1978 eigens mit einer Delegation aus Vertretern der Gemeinde Netphen und SKV-Athlet Manfred Lehmann als „Vorturner“ nach Stuttgart-Ruit gereist war, um sich das damalige Nonplusultra einer modernen Kunstturn-Arena live und vor Ort anzuschauen.

Speziell die Weichgrube (oder auch Schnitzelgrube) hatte es den Siegerländer Kundschaftern angetan, und die sollte denn auch ein Herzstück des Zentrums in Dreis-Tiefenbach werden, das am 13. Dezember 1980 seiner Bestimmung übergeben wurde.
„Der Bau des Zentrums in Dreis-Tiefenbach war die Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Siegerländer KV in den folgenden Jahren und speziell in der jüngeren Vergangenheit dermaßen stark im deutschen Kunstturnen positionieren und etablieren konnte – quasi der Grundstock aller Erfolge“, meint Jürgen Althaus, der nicht nur der allerersten Siegerländer Bundesliga-Riege 1969 als aktiver Turner angehörte, sondern seither auch weiterhin den Weg der SKV ganz eng mitverfolgt hat, nachdem er seine aktive Laufbahn „wegen einer gewissen Verletzungsanfälligkeit“ (O-Ton) beenden musste.
„Von den damals Verantwortlichen ist unheimlich viel geleistet worden. Eine glückliche Fügung war, dass die Kreisverwaltung immer auf unserer Seite war. Ohne sie wäre dieses Bauvorhaben überhaupt nicht möglich gewesen“, stellt Althaus fest, der zu den „Bauzeiten“ als Wettkampfleiter fungierte, anschließend die Geschicke der SKV von 2000 bis 2010 als 1. Vorsitzender leitete und seitdem Ehrenvorsitzender beim aktuellen Kunstturn-Bundesligisten ist.

„Der damalige Landrat Hermann Schmidt und der seinerzeit amtierende Oberkreisdirektor Karlheinz Forster haben eine ganze Menge dafür getan, dass der Kreis die erforderlichen Zuschüsse geben konnte. Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass wir Turner vom Kreis und von der Stadt Netphen – damals noch Gemeinde – hervorragend unterstützt wurden“, weiß Jürgen Althaus, der von 1999 bis 2014 als stellv. Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein fungierte, ganz genau, wem die Realisierung des ambitionierten Bauprojekts (neben dem „geistigen Vater“ Helmut Schweisfurth) in erster Linie zu verdanken war.

Da alle Institutionen Hand in Hand arbeiteten, durfte die Siegener Zeitung am 13. Dezember 1980, dem Tag der feierlichen Einweihung, Folgendes berichten: „Die Gemeinde Netphen erstellte mit finanzieller Unterstützung des Bundesinnenministeriums und des Landes NRW (Abteilung Sport und Schulbau) eine Dreifachturnhalle in den Ausmaßen von 21 x 45 Meter mit den Nebenprogrammen für eine Normalturnhalle und das Leistungszentrum. Das Projekt hat eine bebaute Fläche von 1785 Quadratmetern und einen umbauten Raum von 11 300 Kubikmetern. Die Kosten belaufen sich auf rund 3,085 Millionen DM. Hinzu kommt für die Einrichtung noch ein Gesamtbetrag von 452 500 DM.“

Eingeweiht wurde das Zentrum als absolutes Vorzeigeobjekt – es gab lediglich in Detmold eine Anlage, die an Bedeutung der neuen Sporthalle in Dreis-Tiefenbach gleichzusetzen war – mit turnerischen Darbietungen von SKV-Athleten und zahlreichen Grußworten. Die symbolische Schlüsselübergabe von Architekt Rudolff an Gemeindedirektor Dr. Jartwig schrieb das Vorwort für eine Erfolgsgeschichte, über die wir in „Teil zwei“ dieser Story berichten werden.
Siegener Zeitung / Frank Kruppa